Energiewende: „Zu viel nach Stimmung, zu wenig rational“

Eben noch Wahlkampf, jetzt ernste Sachpolitik. Blitzschnell hatte die CDU-Hamminkeln am Donnerstagabend den Hebel umgelegt. Gerade war Vorsitzender Norbert Neß als Landtagskandidat nominiert worden. Eine halbe Stunde später moderierte er den Diskussionsabend der Partei zur Energiepolitik.

„Gutes Timing“ attestierte der Vordermann seiner eigenen Veranstaltung – und zitierte von der ZDF-Homepage: „Strom, Heizkosten, Benzin – die Preise explodieren und viele Verbraucher fragen sich, wie sie diese Grundbedürfnisse noch bezahlen sollen.“ Der Fernsehsender bewarb allerdings nicht den CDU-Treff in der Loikumer Bürgerhalle, sondern pries die eigene Talkshow am gleichen Abend mit Maybrit Illner an.

Schon zwei Stunden vor Sendebeginn hatte CDU-Energiepolitiker Herbert Reul in der mit weit über 100 Interessierten vollbesetzten Bürgerhalle die Folgen und Auswirkungen beschrieben. In seinem lebhaften Vortrag skizzierte der Europaabgeordnete, wie „der gigantische Bedarf nach Energie“ angesichts eines „überschaubaren Reservoirs“ gedeckt werden müsse. Sein Rezept: „Wir müssen alle Energiepotenziale erschließen.“ Von höchster Bedeutung seien neben der Klimafrage „günstige Preise“ – nicht nur für Verbraucher, sondern auch für die Industrie. „Wir dürfen nicht nur sagen: »Wir retten das Abendland!«, sondern auch: »Was kostet die ganze Veranstaltung?«“

Anhand konkreter Zahlen verdeutlichte Reul die Überförderung: In Deutschland werde 22-mal so viel staatliches Geld für Sonnenenergie ausgegeben wie in Italien. Investiert werden müsse vor allem in Leitungen und Speichertechnologien. Der Bedarf für Überlandleitungen in Deutschland betrage fast 4.000 Kilometer neuer Strecke. Jedoch: „In den letzten fünf Jahren wurden 90 Kilometer geschafft.“

Der Energiehunger müsse in einer „europäischen Lösung“ gestillt werden. „Bei uns in Deutschland wird Energiepolitik zu viel nach Stimmung und zu wenig rational gemacht.“

Dass immer mehr Menschen eine „andere Energieversorgung“ wollen, unterstrich Thomas Kemper, Generalbevollmächtiger der Düsseldorfer Stadtwerke AG. Der Energiemanager verhieß vor allem der Photovoltaik enorme Wachstumspotenziale: Die Anschaffungskosten würden geringer, der Strom billiger als aus fossiler Energie. Sein Fazit: „Aus Konsumenten werden zunehmend Produzenten.“

Den Ball nahm Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW gerne auf: „Die Energiewende wird auch in den Köpfen der Verbraucher entschieden.“ Hilfreich sei es daher nicht, wenn der Strompreis zwar mit Begründung Fukushima-Folgen weiter ansteige. „Seit Juni 2011 wird von den Konzernen kein zusätzlicher Euro für die Energiewende ausgegeben.“ Plastisch illustrierte er den Effekt der Sonnenenergie: Am Veranstaltungstag schien die Sonne von morgens bis abends: „Zehnmal mehr so viel Sonnenleistung wie ein einziges Atomkraftwerk.“

Für den Dingdener Landwirt Peter Daniels hat der Einstieg in erneuerbare Energien vor allem praktische Aspekte: Beim geplanten Windpark Hohe Heide wolle er als Nachbar von der neuen Wertschöpfung profitieren. Akzeptanz für sein Vorhaben sei möglich: „Es geht nur gemeinsam.“

Kein Generalverdacht mehr bei Dichtheitsprüfung

Als „Beispiel für überzogene Regelungswut“ hat CDU-Landtagskandidat Norbert Neß das bisherige Verfahren bei der Dichtheitsprüfung bezeichnet. Die CDU will eine bürgerfreundliche Lösung durchsetzen: Statt alle Hausbesitzer pauschal unter Generalverdacht zu stellen, bedürfe es der Dichtheitsprüfung nur „bei begründetem Verdacht“. Erst dann müsse geprüft und die Sanierung gegebenenfalls beauftragt werden. „Die bisherige Regelung ist und bleibt ein bürokratisches Ungetüm. Hauseigentümer waren angesichts zu erwartender, horrender Kosten stark verunsichert.“

Norbert Neß hatte sich bei der Veranstaltung mit dem designierten Minister für Bauen und Umweltschutz, Lutz Lienenkämper, in Voerde auch mit Vertretern der Bürgerinitiative „Möllener Fair Play“ ausgetauscht. Die Initiative setzt sich wie die CDU dafür ein, das bisherige Verfahren zu ändern. „Nicht nur Möllen ist betroffen, sondern tausende Hausbesitzer in allen Kommunen unseres Landes“, erläutert CDU-Kandidat Neß. „Wir brauchen eine neue Regelung!“ Lienenkämper sagte zu, dass die CDU nach einem Wahlerfolg das bisherige Verfahren bürgerfreundlich novellieren werde.

Bereits im Dezember 2011 hatte der Umweltausschuss des Landtages gegen die Stimmen von Rot-Grün beschlossen, den Zwang zur Dichtheitsprüfung auszusetzen. Norbert Neß: „Die rot-grüne Minderheitsregierung hatte im Land keinen politischen Rückhalt, das bisherige Verfahren durchzuhalten, das im Ergebnis viele Tausende Hausbesitzer in unserer Region über Gebühr belastet. Es ist bürgerfreundlich, dass der Umweltausschuss des Landtages das Ende des flächendeckenden Zwangs zur Dichtheitsprüfung auf den Weg gebracht hat. An diesem politischen Signal kommt im weiteren Verfahren keiner vorbei.“

Selbst Rot-Grün habe inzwischen Veränderungen angekündigt. „Die CDU-Position ist einfach und klar: Eine Dichtheitsprüfung soll nur erfolgen, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt.“ Das könne u. a. dann sein, wenn der Boden absacke, Verfärbungen im Erdreich oder Beschädigungen durch Wurzelwerk sichtbar seien. „Es gibt kein Recht auf undichte Abwasserrohre. Wenn ein erheblicher Schaden festgestellt wird, dann muss er behoben werden.“ Öffentliche und gewerbliche Abwasserleitungen würden ohnehin weiterhin überprüft. Auf Druck der CDU hätten SPD und Grünen inzwischen ihren Vorschlag abgeändert, der zunächst nur Haushalte unter 200 Kubikmeter Abwasser von der Dichtheitsprüfung befreien wollte. „Auch der neue rot-grüne Vorschlag ist absurd. Da sollen Zweifamilienhäuser befreit werden, ein Haus mit drei Wohnungen schon nicht mehr“, so Neß. Die Landtagswahl am 13. Mai sei somit auch eine Entscheidung zwischen dem unbürokratischen CDU-Vorschlag und rot-grünen Bürokratieplänen.

Windenergie: Transparenz ist Schlüssel für Akzeptanz

Die Sitzplätze im Hamminkelner Bürgerhaus Friedenshalle haben nicht ausgereicht: Bis kurz vor Veranstaltungsbeginn wurden Stühle in den Saal getragen, damit alle interessierten Besucher Platz fanden. Weit über 100 Personen waren der Einladung des CDU-Stadtverbands gefolgt, um sich über Windenergie zu informieren.

Anlass dafür ist die geänderte rechtliche Lage nach der Energiewende. Der Anteil der Erneuerbaren Energien soll von heute 20 Prozent auf 35 Prozent im Jahr 2030 steigen. „Auf dieses wichtige und zugleich komplexe Thema wollen wir uns ordentlich vorbereiten“, beschrieb CDU-Vorsitzender Norbert Neß die Motivation seiner Partei, eine öffentliche Info-Veranstaltung auszurichten. Viele Zuhörer beteiligten sich lebhaft an der Diskussion. Auch Vertreter anderer politischer Parteien waren der CDU-Einladung gefolgt.

In den kommenden Wochen wird die Energiewende in Hamminkeln konkret: Dann wird die Stadtverwaltung im Planungsausschuss über neue, zusätzliche Flächen für Windräder sowie bereits vorliegende Anträge von Investoren informieren. „Darauf müssen wir uns gut vorbereiten“, sagte Neß: „Wir machen das in öffentlichen Veranstaltungen und nicht im Hinterzimmer.“ In einer weiteren Veranstaltung am Donnerstag, 22. März 2012 (19.30 Uhr, Bürgerhaus Loikum) wird der CDU-Europa- und Energiepolitiker Herbert Reul zu Gast sein und gemeinsam mit weiteren Fachleuten über die Konsequenzen aus der Energiewende informieren.

Den Auftakt machte nun zunächst der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundesverband Windenergie, Klaus Schulze Langenhorst. Sehr ausführlich beschrieb er illustriert durch Folien die Chancen und Möglichkeiten dieser Energieform. Zur Vorbereitung auf seinen Hamminkelner Vortrag hatte er das Stadtgebiet einmal oberflächlich untersucht – mit dem Ergebnis, dass die prinzipiell zur Verfügung stehenden Gebiete auch aufgrund der relativ dichten Besiedlung im Außenbereich eng begrenzt seien. Zudem müssten die Erfordernisse des Naturschutzes beachtet werden, so zum Beispiel das Vorkommen des Großen Brachvogels in der Dingdener Heide. Als „schwierigen Spagat für die Grünen“ beschrieb Schulze Langenhorst die Situation, in der sich hier im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und alternativer Energie vor allem die Öko-Partei befinde.

Ein Schlüsselthema sei aus seiner Sicht die Akzeptanz der neu zu errichtenden Windräder. Investoren könnten hier bereits im Vorfeld jede Menge tun, indem sie beispielsweise Nachbarn an der Rendite beteiligen und Teile des Gewinns in eine Stiftung fließen lassen, die wiederum Projekte in der Kommune unterstützt. Auf dem Hintergrund der heute gezahlten Vergütungen durch die sogenannte EEG-Umlage seien aus Sicht des Verbandsfunktionärs für Investoren Verzinsungen von über sechs Prozent zu erzielen. Kritische Nachfragen thematisierten die optischen und akustischen Belästigungen der Nachbarn sowie die Gefahren durch Eiswurf.

CDU-Vorsitzender Norbert Neß unterstrich in seiner Zusammenfassung nach gut zweistündiger, intensiver Debatte: „Akzeptanz gelingt durch Transparenz. Investoren müssen über ihre Vorhaben genau aufklären. Wir wollen in Hamminkeln keine Finanzhaie, keine Anlagespekulanten und keine skrupellosen Goldgräber.“ Gleichwohl sei aber auch klar, dass Hamminkeln „keine Insel der Glückseligen sei.“ Windräder seien nicht schön, aber: „Auch unsere Stadt muss einen Beitrag zur Energiewende leisten.“